Der Schmiedbalthes oder Der Schmied von Kochel

Die Sendlinger Mordweihnacht



Nachdem sich der spanische Erbfolgekrieg nun verstärkt nach Italien verlagerte, sollte das Besatzungsgebiet Bayern für Nachschub an Menschen und Material sorgen. Die Soldaten der kaiserlichen Administrationen gingen bei der Rekrutierung und dem Eintreiben von Versorgungsleistungen äußerst brutal vor, worunter vor allem die Landbevölkerung zu leiden hatte. Als Konsequenz kam es zu ersten Aufständen der Bauern in der Oberpfalz, in Niederbayern und in der Gegend um Bad Tölz. Die Losung für die kommenden Revolten ist bereits entstanden. "Lieber bayrisch sterben, als kaiserlich verderben".

Trotz des Einschreitens der kaiserlichen Truppen breiteten sich die Aufstände in Nieder- und Ostbayern, im sogenannten "Unterland" und in der Oberpfalz schnell aus. Mit der Ausbreitung der Revolten übernehmen verstärkt Offiziere, Adelige, Beamte und Handwerker die Führung der Aufständischen und geben den Umsturzbestrebungen das Ziel der Übernahme der Rentämter Bayerns. Zunächst wird Burghausen belagert und ergibt sich am 16. Dezember 1705 den Aufständischen, genauso wie kurz darauf Braunau. Diese beiden Städte werden schnell zu den militärischen und politischen Zentren der Aufstandsbewegung.

Hier entsteht auch das erste rein demokratische Gebilde des neuzeitlichen Europa, die sog. "Gemein der Bürger und Bauern". Zum ersten mal in der Weltgeschichte ein 4 Ständeparlament!

Nach diesen beiden Niederlagen versuchen die kaiserlichen Besatzer in Waffenstillstandsverhandlungen mit den Aufständischen zu treten, die eine Delegation unter Freiherr Franz Bernhard von Prielmayr nach dem Münchner Vorort Anzing entsenden. Währenddessen erobern die Aufständischen die Städte Schärding und Kelheim. Die inzwischen in Anzing stattfindenen Verhandlungen beschließen einen zehntägigen Waffenstillstand.

Die Zeit des Waffenstillstands nutzen die Aufständischen, im Besonderen Matthias Ägidius Fuchs und Georg Sebastian Plinganser, einen Plan zu entwerfen, wie die kaiserliche Besatzungsmacht aus München vertrieben werden kann. Die kaiserlichen Soldaten sollten im Norden Bayerns durch Aufstände gebunden werden, um sie so im Südosten umgehen zu können und in einem Sternmarsch auf München zu marschieren. Zeitgleich sollte die ehemalige Münchener Bürgerwehr die Revolutionäre innerhalb der Stadtmauer unterstützen. Man beschloss, sich nicht an den Waffenstillstand zu halten und mit der Aktion so schnell wie möglich zu beginnen.

Die Münchener Verschwörer unter der Führung von Johannes Jäger (Jägerwirt) beginnen umgehend mit den Vorbereitungen, genauso wie Fuchs die Aufständischen im sogenannten Oberland mobilisiert. Am 19. Dezember ruft Fuchs von Tölz aus ((Tölzer Patent) alle Oberländer dazu auf sich zu bewaffen und sich bis zum 22. Dezember im Kloster Schäftlarn zu versammeln.

In diesem Tölzer Patent wird behauptet, dass die kurfürstlichen Prinzen, die noch in München lebten nach Österreich entführt werden sollten, was Fuchs durch ein gefälschtes Schreiben zu belegen versucht. Zudem behauptet er, der Kurfürst Max Emmanuel würde den Aufstand mittragen und so bald als möglich zu den Revolutionären stoßen. Das Tölzer Patent diente vor allem dazu patriotische Gefühle anzusprechen und eventuelle Legitimitätsbedenken auszuräumen.

Am 21. Dezember 1705 finden sich insgesamt 2.769 Mann Fußvolk und etwa 300 Reiter im Kloster Schäftlarn in völlig unzureichender Bewaffnung ein. Auch in München laufen die letzten Vorbereitungen; Raketensignale sollen den Aufständischen außerhalb der Stadtmauern die Bereitschaft der Münchener anzeigen. Doch nun kommt es zu den ersten Problemen: Der Verbindungsmann zwischen Ober- und Unterland, der Anzinger Postmeister Franz Kaspar Hierner erscheint nicht zum vereinbarten Treffpunkt in München, die Verbindung zum Unterland ist also abgebrochen worden. Zudem muss sich der Anführer der Münchener Aufständischen, Jäger, der in München bereits durch die kaiserliche Administration überwacht wird, zu den Oberländern absetzen. Hinzu kommt noch, dass einige Städte und Gemeinden, die bereits die Unterstützung der Aufstände zugesichert hatten, diese aus Angst vor Repressalien plötzlich wieder zurückzogen. Am Heiligen Abend gegen Mittag gingen die Aufständischen auf ihren Marsch Richtung München. In Solln erhalten die Aufständischen die nächste schlechte Nachricht: Die Münchener Verbündeten können die geplanten Aktionen nicht mehr wie besprochen durchführen. Die kaiserlichen Besatzer haben die Truppen verstärkt und Soldaten partouillieren in der Stadt. Rückzugsgedanken werden unterdrückt, die Aufständischen beschließen weiter Richtung München zu marschieren. Gegen Mitternacht erreicht der Tross der Oberländer Sendling, wo man im örtlichen Wirtshaus Stellung bezieht. Die Unterländer stehen währenddessen mit etwa 16.000 Mann in der Nähe von Ebersberg, wo sie von kaiserlichen Truppen an einem Weitermarsch gehindert werden. Die kaiserlichen Besatzer wurden durch Verrat des Starnbergers Oettlinger über die geplante Aktion der Revolutionäre aufgeklärt.

Die Oberländer teilen ihren Tross nun in drei Gruppen: Leicht- und Unbewaffnete sollen in Sendling bleiben, die anderen beiden Gruppen sollen sich vor Angertor und Rotem Turm postieren. Die Münchener Verbündeten sollten die Stadttore um 1 Uhr öffnen, was aber nicht geschieht, weshalb der Rote Turm gewaltsam erobert wird. Doch scheitern sie am dahinterliegenden Isartor. Sie werden sogar wieder hinter den Roten Turm zurückgedrängt, wo sie sich verbarikadieren. Im Morgengrauen werden die Revolutionäre auch von Osten her durch kaiserliche Truppen angegriffen und aufgerieben. Einige können sich noch bis Sendling durchschlagen wo sie sich erneut verbarikadieren. Kurz darauf nehmen auch hier die kaiserlichen Truppen Aufstellung. Die aufständischen Oberländer ergeben sich und legen ihre Waffen nieder. Die kaiserlichen Offiziere gewähren zwar Pardon, lassen die Revolutionäre aber noch an Ort und Stelle niedermetzeln.

3 mal kapitulieren die Oberländer, und 3 mal fallen die Husaren wieder über sie her. Erschossen, erdolcht, niedergeritten, erschlagen. Der Schnee in Sendling färbt sich rot. Die noch Lebenden mußten kniend den Rosenkranz in beide Hände nehmen und beten. Hatte ein Aufständischer den Rosenkranz in nur einer Hand, dem wurde die Andere abgeschlagen.

Am Tag der Sendlinger Mordweihnacht werden 2.500 Bayern aber lediglich 40 kaiserliche Soldaten getötet, den wenigsten der Aufständischen gelingt die Flucht.

Nach diesem Massaker sammeln die kaiserlichen Soldaten die etwa 500 bayerischen Verwundeten ein und bringen sie nach München, wo sie vor das Jesuitenkolleg (Michaelskirche) geworfen werden. Um die Verwundeten darf sich auf Befehl der Administration drei Tage niemand kümmern um so weitere Revolutionsgedanken im Keim zu ersticken. Die Anführer der Revolution der Oberländer werden hingerichtet.

Auch die Unterländer werden nur wenig später, am 8. Januar 1706, bei dem Massaker am Handlberg bei Aidenbach in Niederbayern aufgerieben. Mit diesem Desaster bricht der bayerische Widerstand gegen die Besatzer endgültig zusammen. Innerhalb von nur drei Wochen gab es auf bayerischer Seite knapp 10.000 Opfer zu verzeichnen.



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